Ein Investitionsabzugsbetrag ist im Veranlagungszeitraum seiner Bildung rückgängig zu machen, wenn die Investition, für die er gebildet worden ist, zwar durchgeführt worden ist, aber die nach dem Gesetz vorgesehene Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags endgültig unterblieben ist.
Hintergrund: Ein Unternehmer, der bestimmte Unternehmensgrößen nicht überschreitet, kann für künftige Investitionen einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 40 % der künftigen Anschaffungskosten bilden, der sein Einkommen mindert. Wird die Investition innerhalb der nächsten drei Jahre durchgeführt, musste der Investitionsabzugsbetrag nach der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage wieder gewinnerhöhend hinzugerechnet werden. Die Anschaffungskosten des angeschafften Wirtschaftsguts konnten dann um 40 % gewinnmindernd herabgesetzt werden. Soweit der Investitionsabzugsbetrag nicht bis zum Ablauf des dreijährigen Investitionszeitraums hinzugerechnet wurde - weil z.B. keine Investition durchgeführt wurde -, musste der Investitionsabzugsbetrag im Jahr der Bildung wieder rückgängig gemacht werden und die sich daraus ergebende Steuernachzahlung mit 6 % p.a. verzinst werden.
Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und bilanzierte. Er bildete im Jahr 2008 einen Investitionsabzugsbetrag i.H. von ca. 12.500 €, ohne aber die Funktion des geplanten Wirtschaftsguts zu bezeichnen. Das Finanzamt erkannte den Investitionsabzugsbetrag dennoch an. Im Jahr 2009 erwarb der Kläger mehrere Wirtschaftsgüter zu einem Wert von insgesamt rund 40.000 €. Er minderte zwar die Anschaffungskosten um 40 %, unterließ aber zu Unrecht die gewinnerhöhende Hinzurechnung. Das Finanzamt hätten den Fehler zwar erkennen können, folgte aber dennoch der Steuererklärung für 2009 und erließ entsprechende Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag. Die Bescheide standen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und konnten daher nicht mehr geändert werden. Das Finanzamt bemerkte im Jahr 2016 seinen Fehler und änderte nun beide Bescheide für 2008 (Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbescheid), indem es den Investitionsabzugsbetrag rückgängig machte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage gegen die Änderungsbescheide 2008 ab:
Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Danach ist der Investitionsabzugsbetrag im Jahr der Bildung rückgängig zu machen, wenn er nicht bis zum Ablauf des dreijährigen Investitionszeitraums hinzugerechnet wurde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil der Kläger keine Hinzurechnung bis zum 31.12.2011 vorgenommen hat. Dementsprechend musste für 2008 der Investitionsabzugsbetrag rückgängig gemacht werden.
Es kommt nicht darauf an, weshalb die Hinzurechnung unterblieben ist. Es ist also unerheblich, ob die Investition innerhalb der drei Jahre nicht durchgeführt worden ist und deshalb keine Hinzurechnung erfolgen konnte oder ob die Investition zwar durchgeführt worden ist, die Hinzurechnung aber vergessen wurde.
Der Gesetzeswortlaut ist nicht einschränkend auszulegen. Insbesondere ist dies nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten. Denn der Kläger hat selbst eine fehlerhafte Steuererklärung für 2009 abgegeben, in der er die Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags unterlassen hat, obwohl sie angesichts der durchgeführten Investition hätte vorgenommen werden müssen. Im Übrigen hätte der Investitionsabzugsbetrag für 2008 schon gar nicht anerkannt werden dürfen, da der Kläger die Wirtschaftsgüter, die er anschaffen wollte, nicht näher bezeichnet hatte.
Hinweise: Das Urteil betrifft zwar die bis zum 31.12.2015 gültige Rechtslage. Zum gleichen Ergebnis hätte der BFH aber auch nach der ab 1.1.2016 gültigen Gesetzeslage gelangen müssen. Zwar ist der Unternehmer nach der neuen Rechtslage nicht mehr verpflichtet, im Fall der Investition eine Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags vorzunehmen; er kann die Hinzurechnung auch auf eine spätere Investition verschieben, sofern diese innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums erfolgt. Ist aber bis zum Ablauf des dreijährigen Investitionszeitraums keine Hinzurechnung vorgenommen worden, muss der Investitionsabzugsbetrag ebenfalls rückgängig gemacht werden.
Bei Änderung der Bescheide für 2008 im Jahr 2016 war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn das Gesetz enthält insoweit sowohl nach der alten Fassung als auch nach der Neufassung eine sog. Ablaufhemmung. Danach endet die Festsetzungsfrist für 2008 nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das letzte Jahr des Investitionszeitraums, d.h. für 2011, abgelaufen ist. Für 2011 konnte aber die Frist frühestens zum 31.12.2016 ablaufen; denn wenn der Kläger die Steuererklärung für 2011 bereits im Jahr 2012 abgegeben haben sollte, hätte die vierjährige Verjährungsfrist am 1.1.2013 begonnen und erst am 31.12.2016 geendet.
BFH, Urteil v. 3.12.2019 - X R 11/19; NWB