Der Erbe kann die Kosten für einen Prozess, in dem er Rückgabeansprüche des Erblassers vergeblich geltend gemacht hat, als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abziehen. Es handelt sich um Aufwendungen zur Regelung des Nachlasses.
Hintergrund: Bei der Erbschaftsteuer können Nachlassverbindlichkeiten vom Wert des Nachlasses abgezogen werden. Hierzu gehören u. a. auch Kosten, die dem Erben unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erbes entstehen.
Sachverhalt: Die Klägerin ist Alleinerbin des im Januar 2012 verstorbenen B und machte als dessen Gesamtrechtsnachfolgerin Prozesskosten des B als Nachlassverbindlichkeiten geltend. B wurde zusammen mit seiner Schwester H Miterbe des im Februar 1999 verstorbenen E. E hatte seine Porzellansammlung im Juni 1995 einem städtischen Museum geschenkt. Nach seinem Tod erhoben seine Erben B und H im November 2002 Klage auf Rückgabe der Porzellansammlung mit der Begründung, dass E im Zeitpunkt der Schenkung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Die Klage blieb erfolglos. B wehrte sich gegen den Erbschaftsteuerbescheid durch Einspruch und Klage, verstarb aber im Klageverfahren. Die Klägerin führte seine Klage fort und machte nun die Prozesskosten des B in Höhe von ca. 112.000 € geltend, die in dem Zivilrechtsverfahren wegen Rückgabe der Porzellansammlung entstanden waren.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:
Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Kosten zur Regelung des Nachlasses. Dies umfasst Kosten zur rechtlichen und tatsächlichen Feststellung des Nachlasses sowie Kosten, die erforderlich sind, um die Erben in den Besitz der Güter aus dem Nachlass kommen zu lassen.
Zu den abziehbaren Regelungskosten können auch Prozesskosten gehören, wenn der Erbe bestehende oder vermeintliche Ansprüche des Erblassers geltend macht, die zum Nachlass gehören. Allerdings müssen die Kosten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nachlassregelung stehen; dies setzt einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erbfall voraus. Es genügt also nicht, dass die Kosten erst im Rahmen der späteren Verwaltung des Nachlasses entstehen. Im Einzelnen bedeutet dies:
Der sachliche Zusammenhang zwischen den Prozesskosten und dem Erbfall besteht, wenn mit dem Prozess der Umfang des Nachlasses geklärt werden soll oder die Herausgabe von Gegenständen durch einen Dritten erzwungen werden sollen. Der sachliche Zusammenhang besteht nicht mehr, sobald der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen hat.
Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Prozesskosten und dem Erbfall ist zu bejahen, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall erhoben wird. Dabei ist aber eine angemessene Prüfungs- und Vorbereitungszeit zuzugestehen. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem Prozessbeginn ist, desto höhere Anforderungen sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die Verzögerung und an das fehlende Verschulden zu stellen.
Das FG muss nun aufklären, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Erbfall (Tod des E im Februar 1999) und dem Prozess (Klageerhebung im November 2002) bestand. Außerdem muss das FG noch die Höhe der Prozesskosten prüfen.
Hinweise: Unbeachtlich ist, dass die Porzellansammlung beim B gar nicht der Erbschaftsteuer unterlag, weil sie – nach dem verlorenen Rechtsstreit – nicht zu seinem Nachlass gehörte. Zwar enthält das Gesetz eine Regelung, nach der Schulden nicht abziehbar sind, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögenswerten stehen, die nicht der Besteuerung unterliegen. Dies gilt aber nur für Schulden, die vom Erblasser begründet wurden, nicht aber für Nachlassregelungskosten. Denn diese entstehen erst beim Erben.
Die Prozesskosten wären selbst dann abziehbar, wenn es in dem Prozess um die Rückgabe erbschaftsteuerfreier Gegenstände gegangen wäre; es hätte sich dann dennoch um Kosten zur Regelung des gesamten Nachlasses durch den Erben gehandelt.
BFH, Urteil vom 6.11.2019 - II R 29/16; NWB